Die Pflanze

Ganze und gemahlene Cannabis-Blüten

Hintergrund

Cannabis wird bereits seit Tausenden von Jahren als Nahrungsmittel (Samen), zur Gewinnung von Fasern (Stängel) und als Medizin (Blüten) kultiviert (siehe Geschichte für weitere Details). Für Arzneimittelzwecke sind die Blüten am relevantesten, da sie den höchsten Gehalt an Cannabinoiden aufweisen. Die Pflanzen können sehr groß werden (wildwachsend bis zu 6 Meter hoch) und blühen unter natürlichen Gegebenheiten einmal im Jahr. Im Gewächshaus kann man allerdings die Wuchshöhe begrenzen und die Blüte einleiten, indem man die tägliche Lichtzufuhr auf ca. 12-14 Stunden begrenzt, was das Entwicklungsstadium der Pflanze vom vegetativen Wachstum hin zur Blüte verschiebt. Die längeren ununterbrochenen Dunkelheitsperioden bringen die Pflanzen zum Blühen. Cannabispflanzen können männlich oder weiblich sein; die Blüten der weiblichen Pflanzen werden für medizinisches Cannabis verwendet, da ihr Cannabinoid-Gehalt höher ist1.

Als „Hanf“ werden üblicherweise Cannabispflanzen bezeichnet, die der Gewinnung von Fasern oder Samen dienen. Die Fasern werden zu verschiedenen Produkten wie Textilien, Seilen, Papier, Dämmstoff, Baumaterial, Teppichen und mehr verarbeitet2. Der THC-Gehalt darf in diesen sogenannten Nutzhanf-Pflanzen in Deutschland den Wert von 0,2% nicht übersteigen.

Taxonomie

Die taxonomische Klassifizierung von Pflanzen verwendet man zur hierarchischen Einordnung von Pflanzen in Gruppen wie Familien, Gattungen, Arten und Unterarten.

Die Gattung „Cannabis“ gehört zur Familie der “Cannabaceae” (Hanfgewächse), zu welcher auch der für die Brauerei verwendete Hopfen gehört. Eine allgemeingültige taxonomische Klassifizierung von Arten innerhalb der Gattung Cannabis ist umstritten; eine Möglichkeit besteht darin die Klassifizierung auf eine einzige Art „Cannabis sativa L.“ mit den zwei Unterarten Sativa und Indica zu begrenzen. Diese Klassifizierung basiert teilweise auf den äußerlich erkennbaren Unterschieden der Pflanzen, Sativa hochwüchsig mit relativ schmal gefingerten Blättern und Indica niedriger mit breiteren Blattfingern. Bei dem Versuch, Cannabis zu gruppieren wurde auch die chemische Zusammensetzung, vor allem der THC-Gehalt, berücksichtigt, was ebenfalls die Verwendung der Bezeichnungen Sativa und Indica beeinflusste. Heutzutage verwendet man beide Namen oft, um den zu erwartenden Effekt einer Sorte zu beschreiben; Sativa werden dabei energetisierende und aufmunternde Eigenschaften zugeschrieben, Indica eher beruhigende und schlaffördernde. Die Verwendung der Unterarten im Kontext von phänotypischen oder therapeutischen Charakteristika kann daher verwirrend sein. Die meisten Sorten von Cannabis sativa L. sind heute Hybride, da die Unterarten intensiv miteinander gekreuzt wurden, so dass die Struktur der Pflanze nichts über ihren Cannabinoid Gehalt oder die Zusammensetzung aussagt2,3.

Chemische Zusammensetzung

Insgesamt wurden in Cannabis-Pflanzen 545 chemische Verbindungen identifiziert; Cannabinoide, die am besten untersuchte Kategorie unter den sekundären Metaboliten, bilden den größten Anteil (>104), gefolgt von den Terpenen (120), Flavonoiden (26) und Steroiden (11). Die Cannabinoide und Terpene werden in spezialisierten Drüsenhaaren (Trichome) synthetisiert, welche man vor allem auf weiblichen Blüten findet4. Diese chemischen Verbindungen bezeichnet man als sekundäre Metabolite, da sie für das Pflanzenwachstum, die Entwicklung und Reproduktion nicht kritisch sind; sie sind aber trotzdem wichtig für das Überleben in der Wildnis. Man geht davon aus, dass Cannabinoide die Pflanzen vor UV-Strahlen und Austrocknung schützen und an der Verteidigung gegen schädliche äußere Einflüsse wie z.B. Insekten beteiligt sind5. Die Terpene verleihen den Pflanzen Duft und Geschmack. Die Flavonoide spielen unterschiedliche Rollen bei der Entwicklung, dem UV-Schutz, der Verteidigung und Signalweiterleitung zwischen Pflanzen und Mikroorganismen. Sie geben der Pflanze des Weiteren ihren Geschmack, Geruch und Farbe6-9. Die in der Herstellung von medizinischem Cannabis verwendeten Blüten enthalten gewöhnlich um die 16-20% Cannabinoide, 1-2% Terpene und <0,1% Flavonoide4. Die Forschung hat sich vor allem auf die Cannabinoide Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) fokussiert; das Interesse an den übrigen sekundären Metaboliten und ihrem potentiell günstigen therapeutischen Effekt, wenn man sie kombiniert (genannt Entourage-Effekt), wächst10,11. Beispiele für weniger bekannte Cannabinoide sind Tetrahydrocannabivarin (THCV), Cannabinol (CBN), Cannabigerol (CBG) und Cannabichromen (CBC)12. Die Haupt-Terpene sind β-Myrcen, Pinen, Limonen, Linalool, β-Caryophyllen und α-Humulen4.

Biosyntheseweg der sekundären Metabolite in der Cannabis-Pflanze

Biosyntheseweg der sekundären Metabolite in der Cannabis-Pflanze4.

Herstellung von medizinischem Cannabis

Um medizinische Pflanzen in einer reproduzierbaren Weise anzubauen, bedarf es eines adäquaten Qualitätssicherungssystems; typischerweise wird ein Gewächshaus genutzt, in dem Faktoren wie die Luftfeuchtigkeit, das Licht, Krankheiten und Schädlinge, die Temperatur, der CO2-Gehalt der Luft, usw. kontrolliert werden können1. Um die hohe und gleichbleibende Qualität von medizinischem Cannabis zu gewährleisten, werden die Pflanzen nach GACP- und GMP-Richtlinien angebaut und verarbeitet (GACP = engl. Kürzel für „Gute Praxis für die Sammlung und den Anbau von Arzneipflanzen“; GMP = engl. Kürzel für „Gute Herstellungspraxis für Arzneimittel“). Diese Richtlinien setzen voraus, dass die Hersteller alle Produktionsschritte, die einen Einfluss auf die Produktqualität haben können, überwachen und dokumentieren. Dies minimiert das Risiko einer Kontamination, einer Verwechslung sowie das Risiko sonstiger Fehler und schützt so die Sicherheit des*der Patient*in.

Cannabinoide sind fettlösliche Moleküle mit niedriger Wasserlöslichkeit; sie können mit Lösungsmitteln wie flüssigem CO2 oder Ethanol aus dem Pflanzenmaterial extrahiert werden6. Voll-Extrakte enthalten überdies einige der Terpene und Flavonoide. Die in der Pflanze synthetisierten Cannabinoide existieren primär in ihrer carboxylierten Säure-Form (z.B. THCA und CBDA; „A“ steht für „acid“ also Säure); durch Hitze werden diese in die neutrale Form umgesetzt (z.B. THC und CBD), die in medizinischen Zubereitungen Verwendung findet13. Flüssige Extrakte enthalten bereits vornehmlich Cannabinoide in ihrer neutralen Form, da das Erhitzen bereits im Zuge des Extraktionsverfahrens erfolgt; getrocknete Blüten müssen dagegen vom*von der Patient*in noch erhitzt werden, um diese Umsetzung zu erreichen.

Die Säureformen von THC und CBD werden durch Hitze in ihre neutralen Formen umgesetzt, welche man für medizinische Zwecke einsetzt.

Die Säureformen von THC und CBD werden durch Hitze in ihre neutralen Formen umgesetzt, welche man für medizinische Zwecke einsetzt.






Quellenangaben

1. Monthony, A. S., Page, S. R., Hesami, M. & Jones, A. M. P. The Past, Present and Future of Cannabis sativa Tissue Culture. Plants 2021, Vol. 10, Page 185 10, 185 (2021).

2. Small, E. Cannabis : a complete guide. (CRC Press, 2016).

3. McPartland, J. M. Cannabis Systematics at the Levels of Family, Genus, and Species. Cannabis and Cannabinoid Research 3, 203–212 (2018).

4. Jin, D., Dai, K., Xie, Z. & Chen, J. Secondary Metabolites Profiled in Cannabis Inflorescences, Leaves, Stem Barks, and Roots for Medicinal Purposes. Scientific Reports 10, 1–14 (2020).

5. Gülck, T. & Møller, B. L. Phytocannabinoids: Origins and Biosynthesis. Trends in Plant Science 25, 985–1004 (2020).

6. Grof, C. P. L. Cannabis, from plant to pill. British Journal of Clinical Pharmacology vol. 84 2463–2467 (2018).

7. Gonçalves, J. et al. Cannabis and Its Secondary Metabolites: Their Use as Therapeutic Drugs, Toxicological Aspects, and Analytical Determination. Medicines 6, 31 (2019).

8. Andre, C. M., Hausman, J. F. & Guerriero, G. Cannabis sativa: The plant of the thousand and one molecules. Frontiers in Plant Science 7, (2016).

9. Mathesius, U. Flavonoid Functions in Plants and Their Interactions with Other Organisms. Plants 7, 30 (2018).

10. LaVigne, J. E., Hecksel, R., Keresztes, A. & Streicher, J. M. Cannabis sativa terpenes are cannabimimetic and selectively enhance cannabinoid activity. Scientific Reports 11, 8232 (2021).

11. Russo, E. B. Taming THC: potential cannabis synergy and phytocannabinoid-terpenoid entourage effects. British Journal of Pharmacology 163, 1344–1364 (2011).

12. Zagzoog, A. et al. In vitro and in vivo pharmacological activity of minor cannabinoids isolated from Cannabis sativa. Scientific Reports 10, 20405 (2020).

13. Ladha, K. S., Ajrawat, P., Yang, Y. & Clarke, H. Understanding the Medical Chemistry of the Cannabis Plant is Critical to Guiding Real World Clinical Evidence. Molecules 25, (2020).